Damit Städte Herausforderungen wie den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust meistern und attraktiv bleiben, müssen sie grüner werden. Das Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern wagt nun ein Experiment: Mithilfe der Anwohnenden sowie privater und öffentlicher Partner soll die Berner Altstadt mit Pflanzen aufgewertet werden mit dem Ziel, aus der Postgasse die grünste Gasse der Schweiz zu machen. Startschuss des Projekts ist der 6. Mai 2023.
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Gut die Hälfte der gesamten Weltbevölkerung, 4.2 Milliarden Menschen, lebt in urbanen Räumen. Städte haben viele Vorteile, stehen aber auch vor gewaltigen Herausforderungen. Sie heizen sich mit dem Klimawandel deutlich stärker auf als das Umland, sie bieten in den Kernstädten kaum Lebensraum für Pflanzen und Tiere, und ihre Lebensqualität ist oft tiefer als gewünscht. Ein effizientes Mittel, um all diesen Herausforderungen zu begegnen, ist eine angepasste Begrünung. Gerade in Stadtzentren und Kernstädten mit erhaltenswerten Strukturen gestaltet sich die angestrebte Begrünung aber schwierig. Wie können diese Orte mehr Platz für die Natur und damit mehr Lebensqualität bieten, ohne bestehende Strukturen zu zerstören oder den finanziellen Rahmen zu sprengen? Antworten auf diese Fragen werden dringend benötigt.
Die Universität Bern setzt sich in Forschung und Lehre intensiv mit Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Urbanisierung und Gesundheit auseinander. Auf Initiative von Professor Matthias Erb lanciert das Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern nun eine Initiative, um eine Lösung für die rasche, kostengünstige Begrünung von Kernstädten zu entwickeln.
Die Postgasse, eine pittoreske, denkmalgeschützte Gasse in der Berner Altstadt, soll in einem partizipativen Ansatz aufblühen. «Wir unterstützen die Anwohnerinnen und Anwohner dabei, ihre eigenen Fenstersimse und Aussenflächen mit passenden Pflanzen zu begrünen», sagt der Initiator des Projekts, Matthias Erb. Die Arkaden werden in die Begrünung miteinbezogen, ohne das öffentliche Leben oder die baulichen Strukturen der Gasse zu tangieren. Die Effekte der Begrünung auf Temperatur, Biodiversität, Wasserhaushalt und Lebensqualität werden anschliessend erforscht (siehe Infobox). So soll aus der Postgasse langfristig die grünste Gasse der Schweiz werden, inklusive einer Dokumentation dieser Transformation. «Die gesammelten Daten und Erfahrungen dieses Pilotprojekts sollen Bern und anderen Städten künftig dabei helfen, ihre Nachhaltigkeit und Attraktivität noch rascher und unkomplizierter zu steigern», sagt Armin Komposch vom Institut für Pflanzenwissenschaften, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter betreut.
Das Projekt wird durch engagierte Partner aus der Berner Wirtschaft unterstützt. Dank dieser Unterstützung können die Bewohnerinnen und Bewohner der Postgasse ihre Gebäude im Rahmen eines Pflanztags weitgehend kostenfrei ausgestalten. Einheimische sowie standortgerechte Sträucher und Bäume, Gemüse- und Kräutersetzlinge aus biologischer Produktion und nachhaltige Erde aus Nebenprodukten der Schweizer Forst- und Landwirtschaft werden von Unternehmen aus der Grünen Branche beigesteuert (siehe Infobox). Ein Spin-Off-Unternehmen der Universität Bern stellt zusätzlich Pflanzgefässe mit automatischer Bewässerung bereit. «Als besonders wertvoll erachten wir alle den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. So finden Erkenntnisse aus der Wissenschaft zeitnah Eingang in die Praxis, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse fliesen zurück in die Wissenschaft», erklärt Matthias Erb.
Der offizielle Startschuss für das Projekt fällt am Samstag, 6. Mai 2023. An diesem Tag werden zusammen mit dem Leist der Untern Stadt Bern Anwohnende und auch andere Interessierte zu einem Pflanztag eingeladen. Es werden Pflanzen, Töpfe und Erde angeliefert, und die Anwohnerinnen und Anwohner können das Material abholen und damit ihre Gasse nach eigenem Ermessen weiter begrünen.
«Die Pflege der Pflanzen erfolgt anschliessend, so hoffen wir, durch die Anwohnenden selbst, damit die Begrünung langfristig erhalten bleibt», erklärt Matthias Erb. Der Pflanztag bietet auch Gelegenheit zu vertieften Diskussionen mit allen am Projekt Beteiligten. «Wir sind gespannt auf unser Pilot-Projekt, mit dem wir Forschung für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel betreiben und gleichzeitig die davon betroffene Stadtbevölkerung in den Prozess miteinbeziehen», so Erb abschliessend.
Engagement der Grünen Branche als Zeichen für die wissenschaftlich begleitete Nachhaltigkeit
Die «Grünste Gasse der Schweiz» wird von Unternehmen der Grünen Branche unterstützt, welche Pflanzen, Setzlinge, Erde, Pflanzgefässe und Bewässerung zur Verfügung stellen. Unterstützung kommt von der Baumschule Gartenpflanzen Daepp, Ricoter, Zollinger Bio and Boum.
Wissenschaftliche Begleitung der «Grünsten Gasse der Schweiz»
Forschung in der Postgasse: Um die positiven Effekte der Begrünung zu messen, sind von der Universität Bern verschiedene Kampagnen geplant. Die mikroklimatischen Auswirkungen werden unter der Leitung von Prof. Stefan Brönnimann und Dr. Moritz Gubler vom Geographischen Institut anhand von fest installierten Temperatursensoren und Wärmebildaufnahmen dokumentiert.
Themen wie die Schwammstadt und städtische Lebensqualität werden anhand von Workshops und kulturellen Darbietungen von Prof. Andreas Zischg vom Geographischen Institut zusammen mit Partnern aus der Berner Kulturszene (motile.ch) in das Projekt eingebracht. Die Effekte auf die Biodiversität werden von Dr. Armin Komposch vom Institut für Pflanzenwissenschaften verfolgt. Die Postgasse als «Grünste Gasse der Schweiz» steht als öffentliche Fallstudie interessierten Partnern als Forschungs- und Lehrumgebung zur Verfügung.
26.04.2023