«Forschung muss unabhängig bleiben»

28.06.2023

Mit der UniBE Foundation setzt sich die Universität Bern für Spitzenforschung ein. Rund zwei Jahre nach der Gründung zieht die Geschäftsführerin Claudia Lehnherr Mosimann eine erste Bilanz.

Interview: Isabelle Aeschlimann, Fotografie: Adrian Moser

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Die UniBE Foundation richtet sich nach klaren Vorgaben der Universität und stellt Forschungs- und Lehrfreiheit an erste Stelle, wie Geschäftsführerin Claudia Lehnherr Mosimann betont. © Universität Bern

Gleich zu Beginn gelang der UniBE Foundation ein grosser Wurf: die Errichtung der Robert K. Schenk Stiftungsprofessur für Gewebehistologie, im Umfang von 10 Millionen Franken. Seither ist es um die Stiftung ruhiger geworden. Womit haben Sie sich beschäftigt?

Claudia Lehnherr Mosimann: Wir haben uns sehr gefreut, dass die UniBE Foundation in ihrem ersten Betriebsjahr einen solchen Beitrag leisten konnte. Seither haben wir den Aufbau der Stiftung vorangetrieben, zusammen mit dem Stiftungsrat ein Leitbild entwickelt und mit einer Webseite der Stiftung gegen aussen ein Gesicht gegeben.

Die Foundation möchte Gelder für «wegweisende Forschung in eine nachhaltige Zukunft» einwerben. Wie gehen Sie dabei vor und welche Einflussmöglichkeiten haben Stifterinnen und Stifter?

Einerseits gehen wir mit konkreten Projektvorhaben auf mögliche Unterstützerinnen und Unterstützer zu. Das sind in der Regel strategische Vorhaben der Universität oder Projekte, die durch reguläre Forschungsförderung nicht oder nicht vollständig finanzierbar sind. Zum anderen kommt es auch vor, dass uns Stifterinnen und Stifter mit konkreten Anliegen oder Interessen kontaktieren. Nachhaltigkeit ist heute ein grosses Thema – sei es die Energiewelt, Kreislaufwirtschaft, Klimatologie – und es gibt viele, die dort mit ihren Mitteln etwas bewegen wollen. Wir schauen uns dann die möglichen Umsetzungsformen an. Das können Nachlässe, Stiftungsprofessuren, neue oder existierende Projekte oder gar eine eigene Stiftung sein. Gerade haben wir zum Beispiel eine neue Finanzierungspartnerin für ein zweijähriges Doktoratsprojekt im biomedizinischen Bereich finden können. Die Nachwuchsförderung ist einer der Förderschwerpunkte der Stiftung.

Die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft ist das höchste Gut der Universität. Wie wird die Unabhängigkeit gewährleistet?

Ich habe es noch nie erlebt, dass Stifterinnen und Stifter sich in die Forschung einmischen. Forschung ist ergebnisoffen. Es geht nicht darum, einen vorgegebenen Pfad zu beschreiten, sondern Erkenntnisse zu gewinnen und bessere Grundlagen zu erarbeiten. Es ist klar, dass Forschungs- und Lehrfreiheit an erster Stelle stehen – das wird auch immer vertraglich geregelt. Die Rolle der Stiftung wird zudem klar definiert über neue Fundraising-Richtlinien.

Forschung muss unabhängig bleiben – gleichzeitig steht die Universität in einem harten Wettbewerb etwa um finanzielle Mittel, Personal oder geeignete Räumlichkeiten. Wie kann die Foundation hier helfen?

Wenn eine Universität vorne dabei sein will, braucht es einfach entsprechende Mittel. Diese kommen tendenziell wohl zu immer kleineren Anteilen aus der öffentlichen Hand. Es braucht also zusätzliche Förderung über andere Kanäle. Die Gründung der UniBE Foundation war ein bewusster strategischer Entscheid der Universitätsleitung. Wir richten uns nach der Strategie 2030 der Universität und fokussieren uns derzeit auf Forschung in den strategischen Themenschwerpunkten. Herausforderungen wie die Raumknappheit kann die Foundation nicht allein lösen, das wäre ein Tropfen auf den heissen Stein. Stattdessen kann sie passende Fördermittel dorthin kanalisieren, wo sie wirklich etwas bewirken – für die Universität und damit auch für die Gesellschaft und den Wissenschaftsstandort Bern, welche von der Forschung profitieren.

Geld ist nicht alles, es geht vielmehr darum, es sinnvoll einzusetzen.

Claudia Lehnherr Mosimann

Die private Förderung wird also noch an Gewicht gewinnen?

Wenn man den Vergleich Universitäten in anderen Weltregionen und den dort zur Verfügung stehenden Geldern zieht, dann ja. Aber mir gefällt der Ausdruck des «harten Wettbewerbs» nicht. Ich sehe es eher so, dass alle Universitäten das Ziel haben, einen Beitrag zu leisten und dass jede Universität irgendwo ausserordentlich ist. Man holt sich also dort Unterstützung, wo es Sinn ergibt. Geld ist nicht alles, es geht vielmehr darum, es sinnvoll einzusetzen. Ausserdem sind Universitätsstiftungen mittlerweile üblich: die ETH Foundation existiert seit 20 Jahren, die UZH hat seit 10 Jahren eine Stiftung. Es hat sich gezeigt, dass das bewährte Gefässe sind

Fördermittel am richtigen Ort zur richtigen Zeit einzusetzen, ist ein grosser Teil der Arbeit von Claudia Lehnherr. © Universität Bern

Sie haben an der Uni Bern Italienisch und Englisch studiert und 20 Jahre als Gymnasiallehrerin gearbeitet, bevor Sie dann ins Fundraising gingen. Weshalb dieser Schritt?

Ich war Gymnasiallehrerin mit Leidenschaft und empfand es als sehr sinnstiftend, aber ich wollte noch mehr von der Welt sehen und andere Lebensrealitäten kennenlernen. Eine sinnstiftende Arbeit war mir aber immer wichtig und als Fundraiserin haben sich da tolle Möglichkeiten geboten. Als Grossspendenbetreuerin bei einem grossen Kinderhilfswerk bin ich viel gereist. Später war ich dann als Leiterin Fundraising bei einer schwedischen Stiftung, die visionäres Wissen weltweit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. So durfte ich viele schöne Begegnungen erleben. Etwa ist es wahnsinnig berührend, mit einer Person auf ihr Leben zurückzuschauen und zu überlegen, was sie gerne weitergeben möchte.

Wie war es, als Geschäftsführerin der UniBE Foundation wieder an die Universität Bern zurückzukehren?

Ich habe mich sofort in meine Studienzeit zurückversetzt gefühlt, wie ich damals als junge Studentin sehr stolz, aber mit klopfendem Herzen erstmals die Treppen des Hauptgebäudes der Universität Bern hochgegangen bin. Ich bin in Bern aufgewachsen. Wir haben oft auf dem Rasen der Grossen Schanze gespielt, aber wir hätten uns nie getraut, das ehrfurchtgebietende Gebäude zu betreten. Ich freue mich, nun meine Alma Mater zu vertreten.

Wo möchten Sie als Geschäftsführerin Schwerpunkte setzen? Was wünschen Sie sich?

Ich habe auf meinen Projektreisen viel Armut, medizinische Unterversorgung, soziale Ungerechtigkeit, aber auch Umweltprobleme gesehen. Einiges davon ist seither noch drängender geworden. Diese komplexen Probleme müssen umfassend angegangen werden. Exzellente und unabhängige Forschung leistet da einen überaus wichtigen Beitrag. An der Uni Bern erlebe ich solche Forschung und viel Unterstützung aus der ganzen Universität. Eine solche Aufgabe kann man nicht allein stemmen, darum bin ich umso mehr dankbar und motiviert.

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