Vier Berner Forschende erhalten SNSF Consolidator Grant

08.02.2023
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Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) verleiht drei Wissenschaftlerinnen und einem Wissenschaftler der Universität Bern je einen SNSF Consolidator Grant 2022. Die geförderten Forschungsprojekte befassen sich mit der Widerstandsfähigkeit gegen Waldbrände in Europa, religiösen Interaktionen im Frühmittelalter, der Suche nach Physik jenseits des Standardmodells sowie dem interkontinentalen Transfer von christlichen Körperreliquien.

Aufgrund des aktuellen Status der Schweiz als nicht assoziiertes Drittland des Rahmenprogramms Horizon Europe lancierte der SNF im Auftrag des Bundes die Übergangsmassnahme «SNSF Consolidator Grants 2022». Diese richtet sich an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Schweiz und im Ausland, die ihre Forschungsarbeiten in der Schweiz durchführen und ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit festigen wollen.

Erfolgreiche Projekte entlang der ganzen wissenschaftlichen Bandbreite

An der Universität Bern erhalten in der aktuellen Ausschreibung drei Forscherinnen und ein Forscher einen solchen Consolidator Grant: Prof. Dr. Katharina Heyden, Professorin am Institut für Historische Theologie, Prof. Dr. Martin Hoferichter, Professor am Institut für Theoretische Physik, Prof. Dr. Urte Krass, Professorin am Institut für Kunstgeschichte und Dr. Christine Eriksen, aktuell Senior Researcher am Center for Security Studies der ETH Zürich. Christine Eriksen wird ihr Forschungsprojekt am Geographischen Institut der Universität Bern durchführen.

«Die vier Forschungsprojekte aus verschiedenen wissenschaftlichen Teilbereichen widerspiegeln den interdisziplinären Charakter unserer Volluniversität. Ich freue mich sehr über die erfolgreichen Bewerbungen um diese Forschungsförderung des SNF, was auch die Konkurrenzfähigkeit der Universität Bern einmal mehr unter Beweis stellt», sagt Hugues Abriel, Vizerektor Forschung der Universität Bern. «Es ist jedoch weiterhin besorgniserregend, dass sich Forschende aus der Schweiz nicht für Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) bewerben können. Die Forschung ist auf Vernetzung und internationale Zusammenarbeit angewiesen.»


Die vier Projekte:

Aufbau widerstandsfähiger Gemeinden gegen Waldbrände in Europa (FiRES)

Dr. Christine Eriksen, zurzeit Senior Researcher am Center for Security Studies der ETH Zürich, erhält einen SNSF Consolidator Grant in der Höhe von CHF 1,8 Millionen für ein Forschungsprojekt zur Widerstandsfähigkeit gegen Waldbrände in Europa. Die Laufzeit des Projekts beträgt fünf Jahre. Das Projekt wird bei der Gruppe für Landsysteme und Nachhaltige Ressourcennutzung (LNR) des Geographischen Instituts der Universität Bern angesiedelt.

Über das Projekt:

Das Projekt FiRES befasst sich mit Waldbränden als kritischem Beispiel für klimabedingte Gefahren, denen grosse Teile Europas in den kommenden Jahrzehnten regelmässig ausgesetzt sein werden. Es geht im Kern der Frage nach, welche Faktoren es den Menschen ermöglichen, sich auf katastrophale Waldbrände vorzubereiten, sie zu überleben und sich physisch und psychisch von ihnen zu erholen. Das Projekt vereint Online-Befragungen, Tiefeninterviews, narrative Analysen und Aktionsforschung, um von den von Waldbränden betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern, kommunalen Entscheidungsträgerinnen und -trägern und Katastrophenschutzpersonal zu lernen. Die Fallstudien erstrecken sich über ländliche Gebiete und die Schnittstelle zwischen Wald und Stadt, vom Mittelmeerraum bis nach Nordeuropa.

«Das Projekt wird durchgeführt im Kontext der einmaligen Chance, die sich Europa bietet, die wachsende Herausforderung durch Waldbrände zu bewältigen, indem es Gemeinden und Katastrophenschutzpersonal mit dem nötigen Wissen und den Fähigkeiten ausstattet, bevor die Bedrohung auf dem gesamten Kontinent akut wird», erklärt Christine Eriksen.

Über Christine Eriksen:

Christine Eriksen ist derzeit Senior Researcher am Center for Security Studies der ETH Zürich und Editor in Chief der Sektion «Fire Social Science» der Zeitschrift Fire. Von 2007 bis 2020 arbeitete sie als Sozialwissenschaftlerin an der University of Wollongong, Australien (UOW). Sie hat einen Doktortitel (UOW, 2010) und einen Master of Arts (KCL, 2004) in Humangeographie sowie einen Joint-Honours-Bachelor-Abschluss in Geographie und Sozialanthropologie (SOAS, 2003).

Christine Eriksen erlangte internationale Anerkennung als Katastrophenforscherin, indem sie Naturgefahren – insbesondere Waldbrände – in einen Dialog mit der Sozialgeographie brachte. Ihre breit publizierten und preisgekrönten Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf Fallstudien in verschiedenen Ländern und Kontinenten, darunter Australien, Nordamerika, Europa und Afrika. Sie ist Autorin von zwei Büchern und über 80 Artikeln, in denen sie die sozialen Dimensionen von Waldbränden im Kontext von Umweltgeschichte, kulturellen Normen, politischen Agenden und Klimawandel untersucht.


Religiöse Interaktion und Co-Produktion: Juden, Christen und Muslime im vernetzten frühmittelalterlichen Westen

Prof. Dr. Katharina Heyden, Professorin am Institut für Historische Theologie, erhält einen SNSF Consolidator Grant in der Höhe von CHF 1,7 Millionen für ein Forschungsprojekt im Bereich der religiösen Interaktionen. Die Laufzeit des Projekts beträgt fünf Jahre.

Über das Projekt:

Juden, Christen und Muslime haben seit dem 8. Jahrhundert in Europa zusammengelebt und den Kontinent politisch, wissenschaftlich und kulturell entscheidend geprägt. Aber welche Auswirkungen hatte das Mit- und Gegeneinander auf das Selbst- und Fremdverständnis der drei Religionsgemeinschaften? Das interdisziplinäre Projektteam wird die Geschichte der drei religiösen Traditionen als eine Geschichte permanenter wechselseitiger Co-Produktion und verflochtener Identitätsbildung beschreiben. Co-Produktion meint die ständige Formung und Neuformung der religiösen Traditionen im Interagieren miteinander und Nachdenken übereinander. An besonders aussagekräftigen Quellen und Fallbeispielen sollen die ambivalenten Dynamiken und Potentiale der Co-Produktion von Judentum, Christentum und Islam untersucht werden. Denn die verflochtene Geschichte der drei Religionen konnte sowohl zu friedlicher Koexistenz und Anerkennung als auch zu Feindseligkeit und gewaltvoller Verdrängung führen. Quellen und Fallstudien werden in einem digitalen Archiv frei zugänglich gemacht.

«Judentum, Islam und Christentum werden häufig als drei klar voneinander abgegrenzte Religionen mit unabhängigen Traditionen dargestellt. Indem meine Forschung diese einlinigen Geschichtsbilder in Frage stellt, kann sie Antisemitismus und Islamophobie in unseren (post)christlichen Gesellschaften bekämpfen helfen», sagt Katharina Heyden über ihr Forschungsprojekt.

Über Katharina Heyden:

Katharina Heyden stammt aus Ost-Berlin und studierte in Berlin, Jerusalem und Rom Theologie. Ihre weiteren akademischen Wege führten sie an die Universitäten Jena und Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind interreligiöse Kontakte und Konflikte in Antike und Mittelalter, besonders literarische Kontroversdialoge und interreligiöse Kultorte, christliche Lebensformen und Gottesbilder sowie Archäologie und Kunst. Ihre Publikationsliste zu diesen Themen umfasst vier Monographien, zehn herausgegebene Bücher und über 50 Artikel. Seit 2014 ist sie Professorin für Ältere Geschichte des Christentums und der interreligiösen Begegnungen in Bern. Von 2018 bis 2022 leitete Katharina Heyden die Interfakultäre Forschungskooperation «Religious Conflicts and Coping Strategies». Sie unterrichtet regelmässig in Jerusalem und Rom. 2020 wurde sie mit dem Credit Suisse Award for Best Academic Teaching ausgezeichnet. Im Sommer 2021 war sie Senior Fellow am Martin Marty Center for the Public Understanding of Religion an der University of Chicago.


Suche nach Physik jenseits des Standardmodells in Niederenergie-Präzisionsobservablen

Prof. Dr. Martin Hoferichter, Professor am Institut für Theoretische Physik, hat einen SNSF Consolidator Grant von CHF 1,75 Millionen für ein fünfjähriges Projekt im Bereich der theoretischen Teilchenphysik erhalten.

Über das Projekt:

Alle bekannten Elementarteilchen werden durch das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik beschrieben, doch trotz aller Erfolge gelingt es der Theorie nicht, Phänomene wie Dunkle Materie oder die Materie-Antimaterie-Asymmetrie im Universum zu erklären. Zu den Strategien zum Aufspüren der erforderlichen Physik jenseits des Standardmodells gehören die Untersuchung von Teilchen-Kollisionen bei den höchsten verfügbaren Energien an Teilchenbeschleunigern (die sogenannte «Energy Frontier»), aber auch die Suche nach kleinen Abweichungen von den theoretischen Vorhersagen physikalischer Grössen (Präzisionsobservablen) im Niederenergiebereich (die sogenannte «Precision Frontier»). Ziel des Projekts ist es, die theoretischen Vorhersagen innerhalb des Standardmodells für eine Reihe von Experimenten an der «Precision Frontier» zu verbessern, um ihr Entdeckungspotenzial voll auszuschöpfen.

Martin Hoferichter sagt zum Projekt: «Die Universität Bern ist der ideale Standort für dieses Vorhaben, da es hier auch in angrenzenden Gebieten starke Forschungsgruppen gibt, was zu Synergien führt, die zum Erfolg des Projekts beitragen dürften.»

Über Martin Hoferichter:

Martin Hoferichter promovierte 2012 in theoretischer Physik an der Universität Bonn. Zwischen 2012 und 2015 hatte er Postdoc-Stellen an der Universität Bern und der TU Darmstatt inne. Im Anschluss war er bis 2019 Research Assistant Professor an der University of Washington in Seattle. Seit 2020 ist er «SNSF Eccellenza Fellow» am Institut für Theoretische Physik der Universität Bern.


Global Bones: Verflechtungen, Transfers und Übersetzungen in der Frühen Neuzeit

Prof. Dr. Urte Krass, Professorin am Institut für Kunstgeschichte, erhält einen SNSF Consolidator Grant in der Höhe von CHF 1,53 Millionen für ein Forschungsprojekt zum Thema Interkontinentale Transfers von Körperreliquien von christlichen Heiligen. Die Laufzeit des Projekts beträgt fünf Jahre.

Über das Projekt:

Menschliche Überreste kommen in allen kulturellen Kontexten vor, werden aber sehr unterschiedlich bewertet und gehandhabt. Seit dem 15. Jahrhundert transportierten Christen im Zuge der europäischen Expansion die verehrten Körperreliquien ihrer Heiligen in grosser Zahl über Grenzen und Kontinente hinweg. Das Projekt «Global Bones» beschreibt und analysiert diese interkontinentalen Reliquientransfers und untersucht anhand regionaler Fallstudien die Aushandlungen, die zwischen Akteurinnen und Akteuren unterschiedlicher kultureller Traditionen über den Umgang mit Körperreliquien stattfanden. Ziel ist es, Spuren dieser Interaktionen in den visuellen und materiellen Qualitäten von Objekten und Bildern zu identifizieren, die aus diesen Begegnungen hervorgegangen sind. Fünf regionale Projekte, die sich auf bestimmte Gebiete in Westafrika, Asien, Lateinamerika und Europa konzentrieren, untersuchen die Rolle, die Körperreliquien in Kontaktsituationen spielten, und fragen, ob die geografischen und kulturellen Transfers von Reliquien zu neuen Formen ihrer Präsentation und Verehrung führten. In einem Querschnittsprojekt werden die gesammelten Daten und Bilder in ein webbasiertes Datenmanagementsystem eingespeist und eine nachhaltige Grundlage für künftige Forschungen geschaffen.

«Das Projekt ‹Global Bones› will ein besseres Verständnis für die kulturelle, soziale, psychologische und emotionale Bedeutung des Umgangs mit und der Weitergabe von menschlichen Überresten schaffen. Es liefert damit eine historische Grundlage für die aktuelle Debatte über den Umgang mit menschlichen Überresten, die Teil des kolonialen Erbes sind und von denen viele noch heute in westlichen (und auch Schweizer) Museen aufbewahrt werden», sagt Urte Krass zum Forschungsprojekt.

Über Urte Krass:

Urte Krass hat an der Universität Hamburg promoviert. Sie arbeitete am Kunsthistorischen Institut in Florenz (Max-Planck-Institut) und an der LMU München, wo sie sich auch habilitierte. Seit 2018 ist sie Professorin für Kunstgeschichte der Frühen Neuzeit am Institut für Kunstgeschichte der Universität Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Politische Ikonographie, die visuelle und materielle Kultur der christlichen Heiligenverehrung sowie frühneuzeitliche transkulturelle Aushandlungsprozesse über Artefakte und Bilder. Krass ist die Autorin von «Nah zum Leichnam. Bilder neuer Heiliger im Quattrocento» (Berlin/München 2012) und Herausgeberin von «Visualizing Portuguese Power. The Political Use of Images in Portugal and Its Overseas Empire» (Zürich/Berlin 2017). Ihr Buch mit dem Titel «The Portuguese Restoration of 1640 and Its Global Imagery. Political Iconography and Transcultural Negotiation» ist in Vorbereitung.

08.02.2023

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