Vier Klassen von Planetensystemen

14.02.2023
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Schon lange ist der Astronomie klar: Planetensysteme sind nicht zwingend wie unser Sonnensystem aufgebaut. Forschende der Universitäten Bern und Genf sowie des Nationalen Forschungsschwerpunkts PlanetS zeigen erstmals: Es gibt insgesamt vier Klassen von Planetensystemen.

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In unserem Sonnensystem scheint alles seine Ordnung zu haben: Die kleineren Gesteinsplaneten, wie die Venus, die Erde oder der Mars kreisen relativ nahe um unseren Stern. Die grossen Gas- und Eisriesen, wie Jupiter, Saturn oder Neptun ziehen dagegen in weiten Bahnen um die Sonne. Forschende der Universitäten Bern und Genf, sowie des Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS, zeigen in zwei im Fachmagazin Astronomy & Astrophysics veröffentlichten Studien: damit steht unser Planetensystem ziemlich alleine da.

Wie Erbsen aus derselben Schote

«Bereits vor über einem Jahrzehnt stellten Astronominnen und Astronomen aufgrund von Beobachtungen mit dem damals bahnbrechenden Kepler Teleskop fest, dass Planeten in anderen Systemen ihren jeweiligen Nachbarn meist in Grösse und Masse ähneln – wie die Erbsen in einer Schote», sagt Studienhauptautor Lokesh Mishra, der an der Universität Bern und Genf, sowie dem NFS PlanetS forscht. Doch lange war unklar, ob diese Erkenntnis durch Einschränkungen bei den Beobachtungsmethoden zustande kam. «Es war unmöglich festzustellen, ob sich die Planeten in einem gewissen System genug ähnlich sind, um in die Klasse der 'Erbsen-in-einer-Schote'-Systeme zu fallen, oder ob sie sich doch eher unterschieden – so, wie in unserem Sonnensystem», so Mishra.

Daher entwickelte der Forscher ein Konzept, um die Unterschiede und Ähnlichkeiten von Planeten derselben Systeme zu ermitteln. Und stelle dabei fest: es gibt nicht zwei, sondern vier solche Systemarchitekturen.

Vier Klassen von Planetensystemen

«Wir bezeichnen diese vier Klassen als 'ähnlich', 'geordnet', 'anti-geordnet' und 'gemischt', so Mishra. Planetensysteme, bei denen die Massen der benachbarten Planeten einander ähnlich sind, haben eine ähnliche Architektur. Geordnete Planetensysteme sind solche, bei denen die Masse der Planeten tendenziell mit dem Abstand zum Stern zunimmt – so, wie auch in unserem Sonnensystem. Wenn die Masse der Planeten dagegen mit dem Abstand zum Stern abnimmt, sprechen die Forschenden von einer anti-geordneten Architektur des Systems. Und gemischte Architekturen treten auf, wenn die Planetenmassen in einem System von Planet zu Planet stark schwanken.

«Dieses Konzept kann auch bei jeder anderen Messgrösse angewendet werden, wie etwa Radius, Dichte oder Wasseranteilen», sagt Studienmitautor Yann Alibert, der an der Universität Bern und am NFS PlanetS forscht. «Damit haben wir nun erstmals ein Werkzeug, um Planetensysteme als Ganzes zu untersuchen und mit anderen Systemen zu vergleichen».

Die Erkenntnisse werfen auch Fragen auf: Welche Architektur ist die häufigste? Welche Faktoren steuern das Entstehen eines Architekturtyps? Welche Faktoren spielen keine Rolle? Einige davon können die Forschenden beantworten.

Eine Brücke über Milliarden von Jahren

«Unsere Ergebnisse zeigen, dass 'ähnliche' Planetensysteme die häufigste Art von Architekturen sind. Etwa acht von zehn Planetensysteme um die Sterne, die am Nachthimmel sichtbar sind, weisen eine solche ‘ähnliche’ Architektur auf», sagt Mishra. «Das erklärt auch, warum bereits in den ersten Monaten der Kepler-Mission Hinweise auf diese Architektur gefunden wurden». Überrascht hat das Team, dass die «geordnete» Architektur – also jene, zu der auch das Sonnensystem zählt – die seltenste Klasse zu sein scheint. 

Es gäbe Hinweise, so Mishra, dass sowohl die Masse der Gas- und Staubscheibe, aus der die Planeten hervorgehen, als auch die Häufigkeit von schweren Elementen im jeweiligen Stern eine Rolle spielen.  «Aus eher kleinen, wenig massiven Scheiben und Sternen mit wenig schweren Elementen gehen 'ähnliche' Planetensysteme hervor. Aus grossen, massiven Scheiben mit vielen schweren Elementen im Stern entstehen eher 'geordnete' und 'anti-geordnete' Systeme. 'Gemischte' Systeme entstehen aus mittelgrossen Scheiben. Dynamische Wechselwirkungen zwischen Planeten – wie etwa Kollisionen oder Auswürfe – beeinflussen die endgültige Architektur», erklärt Mishra.

«Ein bemerkenswerter Aspekt dieser Ergebnisse ist, dass sie die Ausgangsbedingungen der Planeten- und Sternentstehung mit einer messbaren Eigenschaft – der Systemarchitektur – verbindet. Dazwischen liegen Milliarden von Jahren der Entwicklung. Uns ist es erstmals gelungen, diese riesige zeitliche Lücke zu überbrücken und überprüfbare Vorhersagen zu machen. Es wird spannend zu sehen, ob sie bestehen werden», resümiert Alibert.

Künstlerische Darstellung der vier Architekturtypen von Planetensystemen. Ein neuer Architekturrahmen ermöglicht es den Forschenden, ein ganzes Planetensystem auf der Systemebene zu untersuchen. Befinden sich die kleinen Planeten in einem System in der Nähe des Sterns und die massereichen Planeten in größerer Entfernung, haben solche Systeme eine «geordnete» Architektur. Wenn dagegen die Masse der Planeten in einem System mit der Entfernung zum Stern abnimmt, handelt es sich um ein «ungeordnetes» System. Wenn alle Planeten in einem System ähnliche Massen haben, dann ist die Architektur dieses Systems «ähnlich». «Gemischte» Planetensysteme sind solche, in denen die Planetenmassen grosse Schwankungen aufweisen. Die Forschung deutet darauf hin, dass Planetensysteme der gleichen Architekturklasse die gleiche Entstehungsgeschichte haben. © NCCR PlanetS, Illustration: Tobias Stierli

Angaben zu den Publikationen:  

L. Mishra, Y. Alibert, S. Udry, C. Mordasini, A framework for the architecture of exoplanetary systems. I. Four classes of planetary system architecture, Astronomy and Astrophysics, Accepted December 2022
https://www.aanda.org/component/article?access=doi&doi=10.1051/0004-6361/202243751 
DOI: 10.1051/0004-6361/202243751

L. Mishra, Y. Alibert, S. Udry, C. Mordasini, A framework for the architecture of exoplanetary systems. II. Nature versus nurture: Emergent formation pathways of architecture classes, Astronomy and Astrophysics, Accepted December 2022
https://www.aanda.org/component/article?access=doi&doi=10.1051/0004-6361/202244705     
DOI: 10.1051/0004-6361/202244705 

14.02.2023

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