Text: Patrick Castellani
Stell dir vor, dein Laptop könnte ununterbrochen laufen, ohne dabei heiss zu werden. Dieses Szenario könnte vielleicht bald Realität werden. Die Welt der elektronischen Geräte erlebt derzeit eine Revolution, und das Zentrum dieser Transformation ist keine andere als die energieverlustfreie Elektronik. Angesichts der wachsenden globalen Energiekosten und des ansteigenden Energiebedarfs durch die immer weiter verbreitete künstliche Intelligenz (KI) ist die Forschung auf diesem Gebiet von grösster Bedeutung.
Elektrische Widerstände erzeugen Wärme. Wer jemals einen Laptop oder ein Smartphone benutzt hat, hat diese Wärme gespürt. Elektronik, die keinen Energieverlust erleidet, wäre ein Durchbruch. Die Datenverarbeitung verbraucht heute 10% des weltweiten Stroms. Mit der Expansion der KI, deren Verwendung nur schon 2022 und 2023 sprunghaft angestiegen ist, könnte der Energieverbrauch noch deutlich zunehmen. Ein drastisches Beispiel: Im schlimmsten Fall könnte allein die KI von Google so viel Strom verbrauchen wie ganz Irland.
Hier kommt die Forschungsarbeit von PD Dr. Shi-Xia Liu und ihrem Team vom W. Inäbnit Labor für molekulare Quantenmaterialien an der Universität Bern ins Spiel. In Zusammenarbeit mit dem Departement für Physik der Universität Basel und dem EUXFEL in Hamburg entwickelt das Liu-Team eine Klasse von Materialien, die möglicherweise die Antwort auf das Energieverlustproblem der Elektronik liefern könnte. Ihre Forschung fokussiert sich dabei auf topologische Materialien – eine spezielle Phase der Materie, die für ihre besonderen Eigenschaften im Jahr 2016 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde (David J. Thouless, F. Duncan M. Haldane und J. Michael Kosterlitz). Topologische Materialien sind bekannt für ihre einzigartigen quantenmechanischen Eigenschaften, die auf mathematischen Konzepten basieren. Diese Eigenschaften machen sie besonders wertvoll für Anwendungenin der Quanten Informationstechnologie und der topologischen Elektronik.
Genau hier setzt das Projekt des Liu-Teams an der Universität Bern an. Gemeinsam mit dem Forschungsteam der Universität Basel entwickeln die Forscher:innen ein neuartiges Material mit ganz besonderen Eigenschaften. Dabei werden spezielle Moleküle hergestellt, die ähnlich wie Graphen sind, ein Material vor allem aus Kohlenstoff, das nur ein Atom dick ist. Diese Moleküle können in der Folge einzelne Elektronen aufnehmen und dadurch ein magnetisches Moment erzeugen. Sie bilden sehr dünne Schichten auf einem speziellen Supraleiter, einem Material, das Strom ohne Energieverlust leitet.
Die Kombination dieser Moleküle mit dem Supraleiter schafft ein neues Material, das die Bezeichnung topologischer Supraleiter trägt. Jede dieser kleinen Molekül-Inseln auf dem Supraleiter arbeitet übrigens als Quantenbit oder Qubit. Diese Qubits sind dank der kombinierten Materialeigenschaften sehr stabil und gegen äussere Einflüsse geschützt. Dadurch sind sie ideal für neue Formen der Datenverarbeitung in zukünftigen Quantencomputern, die signifikant weniger Energie verbrauchen.
PD Dr. Shi-Xia Liu forscht seit bald 25 Jahren an der Universität Bern. Sie hat einen Hintergrund in Chemie und Materialwissenschaften. Sie leitet das W. Inäbnit Labor für molekulare Quantenmaterialien und arbeitet gemeinsam mit ihrem Team interdisziplinär an der Schnittstelle von Chemie, Physik, Material- und Ingenieurwissenschaften. Die Zusammenarbeit mit dem Departement für Physik der Universität Basel ermöglicht es Liu und ihrem Team, die Grenzen dieser innovativen Forschung zu erweitern.
Die Aussicht auf verlustfreie Elektronik könnte erhebliche Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben. Zum einen könnte der Energieverbrauch enorm gesenkt werden, was ökologisch und ökonomisch von grosser Bedeutung ist. Zum anderen könnte dies die Leistungsfähigkeit unserer Geräte und KI-Systeme entscheidend verbessern, was die Tür zu noch fortschrittlicheren und effizienteren Technologien öffnen könnte.
Die Arbeit von PD Dr. Liu und ihrem Team wirft einen aufregenden Blick in die Zukunft der Elektronik. In einer Welt, die immer mehr von Datenverarbeitung und KI abhängig sein wird, könnte ihre Forschung den Weg zu einer signifikanten Reduzierung des Energieverbrauchs ebnen.
S.-X. Liu*, A.K. Ismael, A. Al-Jobory, C. Lambert. Signatures of Room-Temperature Quantum Interference in Molecular Junctions. Accounts of chemical research 2023, 56(3), 322-331.
J.-C. Liu, R. Pawlak, X. Wang, H. Chen, P. D’Astolfo, C. Drechsel, P. Zhou, R. Häner, S. Decurtins, U. Aschauer, S.-X. Liu, W. Wulfhekel, E. Meyer. Proximity-Induced Superconductivity in Atomically Precise Nanographene on Ag/Nb(110). ACS Materials Lett. 2023, 5, 1083-1090.
C. Li, C. Kaspar, P. Zhou, J.-C. Liu, O. Chahib, T. Glatzel, R. Häner, U. Aschauer, S. Decurtins, S.-X. Liu*, M. Thoss, E. Meyer, R. Pawlak. Strong signature of electron-vibration coupling in molecules on Ag(111) triggered by tip-gated discharging. Nature Communications 2023, 14:5956.
B. J. Kang, E. J. Rohwer, D. Rohrbach, E. Zyaee, M. Akbarimoosavi, Z. Ollman, G. Sorohhov, A. Borgoo, M. Cascella, A. Cannizzo, S. Decurtins, R. J. Stanley, S.-X. Liu*, T. Feurer. Time-resolved THz Stark spectroscopy of molecules in solution. Nature Communications 2024, 15:4212.
Disclaimer: Dieser Artikel wurde von Menschen verfasst, jedoch wurden punktuell KIs für die Recherche, Strukturierung des Textes, Vereinfachung von Komplexität und zum Korrekturlesen eingesetzt. Alle Inhalte wurden von den beteiligten Forscher:innen nochmals geprüft und abgenommen.